Fertigungsverfahren im Wettbewerb - was bleibt für die Gießer?

Prof. Wolfram Volk
Lehrstuhl für Umformtechnik und Giessereiwesen utg - TU München

Covid-19 nennt sich die dritte Krise, mit der die deutsche Gießereiindustrie derzeit zu kämpfen hat und erneut stellt sich die Frage, wie kann es weitergehen? Weiterhin herrscht große Konkurrenz am Weltmarkt, wobei der Standort Deutschland hohe Lohn- und Energiekosten aufwiegen muss, um im Geschäft bestehen zu können. Zudem befindet sich der produzierende Kernbereich unserer Wirtschaft im Wandel, etablierte Anwendungen werden neu gedacht und somit auch bisher gesetzte Fertigungsverfahren in Frage gestellt. Wie also kann Assoziationen zur Gießerei begegnet werden, die wenig filigrane Bauteile, inhomogene Produkteigenschaften und Fehleranfälligkeit bei gleichzeitig hohem Ressourceneinsatz beinhalten? Einen Teil der Antwort kann vermutlich eine Besinnung auf unsere Alleinstellungsmerkmale liefern.


Wohl kein anderes Fertigungsverfahren kann in so kurzer Zeit erste Bauteile und Prototypen liefern wie ein Abguss mit additiv gefertigten Formen oder Modellen. Die Möglichkeit der räumlichen und zeitlichen Trennung von Produktionsprozess und Energiebedarf eröffnet innovative Konzepte zur Nutzung erneuerbarer Energien. Stetig wachsendes Grundlagenverständnis ermöglicht neue Wege in der Modellbildung zu beschreiten und dadurch die Grenzen des machbaren zu verschieben. Auch die Möglichkeit, den Funktionsumfang der Produkte zu erhöhen, kann kein anderes Serienfertigungsverfahren in diesem Ausmaß liefern. So bieten neue Verfahren und Adaptionen Möglichkeiten zu immer dünnwandigerem Guss, wodurch sowohl dem Leichtbau Rechnung getragen wird, als auch Alternativen zu den etablierten Umformverfahren geschaffen werden. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Wunsch nach Kernen im Druckguss. Ein weiteres strategisches Innovationsfeld ist der Bedarf nach maßgeschneiderten Bauteileigenschaften. Ein Lösungsansatz hierfür ist der Verbundguss. Damit lassen sich beispielsweise mechanische Eigenschaften mit Leitfähigkeit oder chemischer Beständigkeit kombinieren. Auch das Thema Digitalisierung nimmt bereits heute und sicherlich noch deutlich verstärkt in der Zukunft eine zentrale Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit der Gießereien ein. Dabei sind sowohl die Fertigungsprozesse als auch die Gussprodukte im Lebenszyklus betroffen. So können beispielsweise mittels Rückverfolgbarkeit im Produktionsprozess Kerneigenschaften und –lagerzeiten überwacht und damit die Ausschussrate beim Gießen signifikant gesenkt werden. Eingegossene Sensoren zur Überwachung der Bauteileigenschaften können im Betrieb Daten liefern, um Wartung oder Austauschintervalle zu optimieren.


Wie immer liefert eine Krise auch die Chance durch mutiges und beherztes Handeln eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland zu erreichen, indem wir konsequent durch fruchtbare Kooperationen von Forschungseinrichtungen und dem produzierenden Gießereigewebe in die Zukunft denken.

Prof. Wolfram Volk