Kernheißverzug und Kriechen von 3D-gedruckten, anorganischen Sandkernen

Jochen Wendling
BMW AG, Werk Landshut

In der heutigen Zeit nimmt die Designfreiheit von hochwertigen Aluminiumgussbauteilen eine immer größere Rolle ein und wird bereits über den Serieneinsatz von 3D-gedruckten Sandkernen realisiert. Bei der nachhaltigen Herstellung der 3D-gedruckten Sandkerne werden zunehmend anorganische Binder eingesetzt. Weiterhin ist für die Entwicklung dieser Aluminiumbauteile die Verfügbarkeit von präzisen Simulationsprogrammen eine Grundvoraussetzung. Hier gibt es jedoch noch Herausforderungen, da insbesondere bei den 3D-gedruckten Kernen die Kenntnis der thermophysikalischen Eigenschaften noch unvollständig ist.
Vor allem die Verzugssimulation von Sandkernen für den Gesamtverzug des Gussbauteils gewinnt immer mehr an Bedeutung. Der Verzug der Sandkerne kann auf zwei Ursachen zurückgeführt werden: Einerseits die thermische Expansion des Sandkerns und andererseits der Auftrieb des Sandkerns durch den Dichteunterschied zum flüssigen Aluminium. Der Verzug aufgrund der thermischen Expansion kann mithilfe des Drucker-Prager-Cap Modells simuliert werden, da dieses für die Simulation poröser Materialien geeignet ist. Obwohl die 3D-gedruckten Sandkerne anisotrope Eigenschaften aufweisen, lassen sich die notwendigen thermophysikalischen Daten durch einfache einachsige Versuche ermitteln. Zusätzlich kann der Auftrieb der Sandkernen bei erhöhten Temperaturen durch die Berücksichtigung von Kriechmechanismen in der Simulation abgebildet werden.
In der vorliegenden Arbeit werden zunächst die allgemein benötigten, temperaturabhängigen Parameter für die mechanische Simulation ermittelt, beispielsweise der E-Modul oder die Dichte. Die spezifischen Parameter für 3D-gedruckte Sandkerne mit anorganischem Binder werden durch den Drei-Punkt Biegeversuch, den indirekten Zugversuch und den einachsigen Druckversuch ermittelt. Aus diesen spezifischen Parametern kann die Drucker-Prager-Cap Fließgrenze ermittelt werden. Darüber hinaus werden Zeitstandsversuche durchgeführt, um die resultierenden Kriechkurven zu ermitteln und den Verzug aufgrund des Auftriebs der Sandkerne zu berücksichtigen. Somit kann aus den oben genannten Kennwerten eine vollständige Materialkarte für das Drucker-Prager-Cap Modell mitsamt Auftriebseffekten für die Simulation 3D-gedruckter Sandkerne mit anorganischem Binder bereitgestellt werden.